Branddirektion lehnt Forderungen der Kranken- und Ersatzkassen ab
Frankfurt. - 25 Rettungsleitstellen in Hessen sind zu viel. Zu diesem Ergebnis kommt ein Prüfbericht im Auftrag der Verbände der Krankenkassen und der Ersatzkassen in Hessen, den diese in der vergangenen Woche in einer Pressekonferenz vorgestellt haben. Würde man stattdessen – analog zu den Krankenhausversorgungsgebieten – sechs größere Gebiete und eine virtuelle Landesleitstelle schaffen, so der Bericht, hätte das mehrere Vorteile. Erstens würde die Logistik einfacher, weil es weniger Gebietsgrenzen und Zuständigkeiten gäbe. Zweitens könnte man die Prozesse besser standardisieren und so die Versorgungsqualität erhöhen. Dadurch könnte man drittens, und das bestätigten Beispiele aus England und den Niederlanden, enorm viel Geld sparen.
Allein für die Fusion von Frankfurt mit Offenbach errechnet der Bericht ein Einsparpotenzial von 41 Prozent. Dieses Geld könne man zum Beispiel nutzen, um die geplante Reform der Notfallversorgung zu finanzieren, die unter anderem vorsieht, die Notrufzentralen der Krankenkassen, also die 116117, und die Leitstellen der Feuerwehr, also die 112, enger zu vernetzen.
Vom Bedarf her denken
Frank Ditzel, der Leiter der Frankfurter Leitstelle, hält von diesen Ideen wenig. Natürlich könne man sparen, indem man IT-Dienstleistungen oder Verwaltung zusammenlege. Aber man müsse die Sache vom Bedarf her denken. Und der sei in Frankfurt völlig anders als im Rest Hessens, so dass eine vollständige Zusammenlegung nicht sinnvoll sei. Zwar seien rund 90 Prozent der Einsätze Rettungsdienstfahrten, doch sind die Leitstellen auch für Feuerwehreinsätze und Katastrophenschutz zuständig. „Und Frankfurt hat eine völlig andere Bedrohungslage als ein ländlicher Landkreis.“
Wenn zum Tagesgeschäft ein Anschlag oder ein Massenanfall von Verletzten komme, müsse die Leitstelle Führungsaufgaben übernehmen, ergänzt Markus Röck, Amtsleiter der Branddirektion. Eine weiter entfernte Leitstelle mit Mitarbeitern ohne Ortskenntnis könne diese Doppelbelastung nicht stemmen.
Selbst die Frankfurter Leitstelle fühlte sich für diese Aufgaben nicht mehr gut genug gerüstet. Deshalb wurde sie in den vergangenen sechs Jahren völlig neu aufgebaut: unter anderem mit Schichten, die ans Fallaufkommen angepasst sind, einer eigenen Software und einem eigenen Abfrage-Standard am Telefon.
In vielen Leitstellen-Gebieten gebe es keine Berufsfeuerwehren, die im Bericht geforderte KI-gestützte Telefonabfrage biete den Mitarbeitern Rechtssicherheit, erklärt Ditzel. In Frankfurt seien aber alle Leitstellenmitarbeiter auch im Rettungsdienst tätig, sie könnten die Antworten der Bürger besser einschätzen als jede KI. „Wir lassen unser System wissenschaftlich begleiten, und die Rechtsstreitigkeiten sind auf so niedrigem Niveau, dass wir sicher sind, auf einem guten Weg zu sein.“
Auch eine eigene Software sei unumgänglich gewesen, sagt Röck. Erstens sei die Landessoftware für das Frankfurter Modell weder leistungsfähig noch flexibel genug. Zweitens könne es bei Updates zu Ausfällen kommen – bei mehr als 400 Einsätzen pro Tag ein K.-o.-Kriterium. „Und stellen Sie sich mal vor, sie wird gehackt und alle hängen dran. Verschiedene Systeme erhöhen die Resilienz“, sagt Ditzel.
Wahr sei, dass bei der Kommunikation mit anderen Leitstellen „noch Luft nach oben“ sei, sagt Röck. „Wir sind mit der Digitalisierung noch nicht so weit, wie wir gerne wären, diese Kritik müssen wir annehmen.“ Nichtsdestotrotz: Die Zusammenarbeit funktioniere. Markus Schips, Geschäftsführer des Malteser Rettungsdienstes Bezirk Hessen, bestätigt: „Unsere Rettungsmittel werden zuverlässig alarmiert.“
Man werde den Bericht nun natürlich trotzdem genauer prüfen, kündigt Röck an, „aber ich bezweifle, dass es bei uns so viel Einsparpotenzial gibt.“ Zudem kritisiert er die Art der Veröffentlichung: Über die Pressekonferenz seien Leitstellen und Landesfeuerwehrverband erst am Abend vorher informiert worden, sie sei mit Vorwürfen gespickt gewesen. „Das soll uns Druck machen. Bei diesem Thema, bei dem wir das Vertrauen der Menschen brauchen, halte ich das für unangemessen.“
Zumal das größte Problem der Leitstellen in dem Bericht gar nicht angesprochen werde: dass immer mehr Menschen die 112 anrufen, weil sie sonst nirgends Hilfe finden. „Das Gesundheitssystem ist mittlerweile völlig dysfunktional“, sagt Röck. „Und dann kommen die, die die 116117 betreiben, und sagen, wir sollen sparen. Das halte ich für fragwürdig.“SARAH BERNHARD