Berufsfeuerwehr hat 320 Stellen zu wenig - Kapazitäten reichen für Einsätze nicht mehr aus
Frankfurt - Die Frankfurter Feuerwehr benötigt 320 weitere Personalstellen. Nur so könne die Überlastung von Brandschützern und Rettern überwunden werden, betont die Branddirektion. Seit Jahren hat die Stadtpolitik den Stellenplan zementiert - was die Retter selbst in Not bringt.
Die hohe Zahl wirkt im ersten Moment wie Sprengstoff für die anstehenden Haushaltsverhandlungen im Römer. Wohl auch deshalb scheute sich die Leitung der Branddirektion um ihren Chef Karl-Heinz Frank lange, die Summe zu benennen. Doch arbeiten die Einsatzkräfte am Limit. Zuletzt sank die Quote, in der der Rettungsdienst die Hilfsfrist von zehn Minuten einhalten muss, unter die gesetzliche Vorgabe von 90 Prozent. „Es gibt zu viele Einsätze für unsere Kapazität“, warnt Feuerwehr-Vize Markus Röck. Vorgabe für die Feuerwehr ist, bei Bränden sogar binnen fünf Fahrminuten jeden Einsatzort im bebauten Stadtgebiet zu erreichen.
„Wir haben seit den Neunzigerjahren die gleiche Anzahl an Funktionen und Köpfen zugewiesen, obwohl die Stadt um 100 000 Einwohner gewachsen ist und damit die Menge an Aufgaben“, erklärt Branddirektor Frank die Ursache. „Die Feuerwehr ist in den vergangenen Jahrzehnten nicht mitgewachsen, anders als in anderen Städten“, sagt Ordnungsdezernentin Annette Rinn (FDP).
Das Problem ist bekannt: Bereits 2019 gaben die Stadtverordneten der Branddirektion - mit mehr als 1200 Mitarbeitern eine der größten Behörden der Stadt - deshalb den Auftrag, mehr Personal aufzubauen. Doch die benötigten Stellen wurden bisher nicht im Stellenplan der Stadt vorgesehen. Auch daraus resultiere der inzwischen auf 320 Stellen gekletterte Bedarf, erklärt Röck.
Nur als kurzer Übergang gedacht
Das Personal hat die Feuerwehr schon zum Teil aufgebaut, wie beauftragt, und im Einsatz. Möglich macht das eine besondere Konstruktion: Nach der Ausbildung wird jeder Feuerwehrmann auf einer so genannten Hilfsstelle weiterbeschäftigt, bis eine reguläre Stelle frei ist. Das war früher stets nur als kurze Übergangsphase gedacht, hat sich aber zum Dauerzustand entwickelt.
Darunter leiden junge Berufsfeuerwehrleute: Sie können auf den Hilfsstellen nicht befördert werden, was nicht nur die Motivation senkt, sondern langfristig den Verdienst stark mindert. So werden die Jobs zunehmend unattraktiv. „Wir müssen jetzt handeln, um die Probleme noch lösbar zu halten“, schlägt Markus Röck Alarm. Denn: „Wir haben einen erheblichen Aufgabenzuwachs“, sagt Karl-Heinz Frank.
So müssen die städtischen Retter viel öfter als früher die anderen fünf Rettungsdienstbetreiber unterstützen. Die leiden unter zu vielen Bagatelleinsätzen sowie Personalmangel - ein bundesweites Problem. Hinzu kommen spontane Großaufgaben wie die Flüchtlingskoordination und die Corona-Pandemie, neue Aufgaben wie die Planung von Straßenumbauten für die Verkehrswende. Zuletzt gaben die Stadtverordneten im Dezember ein besseres Krisenmanagement in Auftrag.
Die Zusatzarbeit lastet auf den Schultern einer seit 30 Jahren nahezu gleich großen Belegschaft. „Dass das System noch einigermaßen funktioniert, liegt daran, dass seit vielen Jahren eine extrem hohe Zahl an Überstunden geleistet wird“, lobt Feuerwehrdezernentin Rinn, „und an der besonderen Haltung und dem Berufsethos der Einsatzkräfte.“
Um wieder genug Personal zu haben und die Hilfsfrist einhalten zu können, müsse die Feuerwehr die Ausbildung von Notfallsanitätern von 18 auf 30 pro Jahr aufstocken, erklärt Röck. Die Quote der Feuerwehrleute, die auch zu Notfallsanitätern ausgebildet werden, soll von einem Drittel auf 50 Prozent steigen. „Die Ausbildung ist das Nadelöhr“, so der Vize. Um das zu lösen, drängt die Branddirektion seit 2009 auf den Ausbau der Feuerwehr-Akademie.
Die 320 Stellen können demnach gestreckt über einige Jahre in den Stellenplan kommen. Das wurde schon 2019 so beschlossen, bisher aber nicht umgesetzt. Bloß 34 Stellen für die völlig überlastete Leitstelle stockte das Parlament im vorigen Jahr auf. Sechs Stellen hat die Branddirektion aktuell auch für die Koordination von Baustellen auf Straßen sowie Straßenplanungen beantragt.
Rinn will Personalaufbau bis 2030 vorschlagen
Als nächstes seien 22 Stellen für zwei weitere Rettungswagen nötig, sagt Röck. Die Rettungsdienstarbeit belastet dabei den Stadt-Haushalt nicht einmal, da die Krankenkassen diese Kosten komplett erstatten.
Nach Gesprächen mit Kämmerer Bastian Bergerhoff (Grüne) kündigt Dezernentin Rinn nun an, der Magistrat wolle ein Konzept zum Personalaufbau bis 2030 erarbeiten und den Stadtverordneten vorschlagen, einen ersten Teil bereits im Haushalt 2024/25 zu realisieren. „Der Magistrat erkennt die Dringlichkeit der Situation“, sagt Rinn. Die Branddirektion müsse mit den personellen Ressourcen für einen auch in Zukunft wirkungsvollen Bevölkerungsschutz in der Stadt ausgestattet werden. Kurzfristig soll es schon sieben Stellen für Notfallsanitäter geben, erklärt die Dezernentin. Damit will die Berufsfeuerwehr die überlasteten Rettungsdienstmitarbeiter entlasten. „Für diese schnelle und konstruktive Unterstützung bin ich Bastian Bergerhoff dankbar“, sagt Rinn. An die Stadtverordneten appelliert Branddirektor Frank: „Wir müssen jetzt etwas tun, damit das System stabil bleibt.“ Dennis Pfeiffer-Goldmann
KOMMENTAR
Schluss mit dem Desinteresse an der Sicherheit
VON DENNIS PFEIFFER-GOLDMANN
Bisher lebt es sich in Frankfurt sicher. Binnen zehn Minuten kommen Rettungsdienst und Feuerwehr, wenn es brennt oder anderweitig wirklich ernst ist. An diese Sicherheit aber legen die Stadtverordneten seit fünf Jahren die Axt an und halten die Feuerwehr personell klein. Ob da Absicht dahinter steckt? Womöglich sogar nicht einmal.
Das Lob für die Feuerwehr gehört zu jeder Sonntagsrede. Doch seit dem Grundsatzbeschluss von 2019 haben es inzwischen zwei Koalitionen im Römer bei diesen schönen Worten belassen. Denn was Geld kostet, die dringend nötigen Stellen, gab es nicht. Mehr Stellen gönnt die aktuelle Koalition lieber allen voran Sylvia Weber (SPD). Diese Dezernentin kriegt es trotzdem nicht hin, sondern lässt die Schulen immer weiter verkommen.
Muss die Feuerwehr etwa auch erst so vor die Hunde gehen, damit die Politik reagiert? Bisher funktioniert die Branddirektion wie ein Uhrwerk. Die Frauen und Männer von der Berufsfeuerwehr geben alles, gleichen jede Personalnot aus. So viel Berufsethos gebietet höchsten Respekt. Es ist eine Unverschämtheit, dass schon die zweite Koalition diese Leistung mit ihrem Desinteresse und ihrem Nichtstun derart geringschätzt.
Die Folgen werden längst auch für die Bürger real unangenehm, wenn nämlich die Retter ihre Hilfsfrist nicht mehr einhalten können. Das politische Desinteresse an Sicherheit für die Bürger bringt faktisch Menschenleben in Gefahr. Das müssen die Stadtverordneten ändern - und zwar schnell wie die Feuerwehr.