Rettungskräfte werden ausgebremst, wo Autofahrer im Stau nicht mehr ausweichen können
Frankfurt - Aufgrund der zunehmenden Zahl geschützter Radwege kommen Rettungswagen und Feuerwehr immer schlechter durch Frankfurt. Was bisher bereits mehrere Hilfsorganisationen sowie ein Berufsfeuerwehrmann in dieser Zeitung anmerkten, bestätigt nun auch die städtische Branddirektion offiziell.
Seit vier Jahren widmet die Stadt Fahrstreifen in Fahrradfahrspuren um. Wo sie mit Trennelementen abgeschirmt werden, ist bei Stau oft kaum noch ein Durchkommen, kritisieren die Rettungskräfte. „Bei baulichen Abtrennungen wird die Bildung einer Rettungsgasse durch den Individualverkehr erschwert oder verhindert“, bestätigt Andreas Mohn, der Sprecher von Branddirektor Karl-Heinz Frank, dem Chef der Berufs- und der 28 freiwilligen Feuerwehren.
Branddirektion an Planung „nicht beteiligt“
„Das kostet uns einfach deutlich mehr Zeit“, hatte ein Berufsfeuerwehrmann anonym in dieser Zeitung dargestellt. „Genaue Zahlen für Fahrtzeiten können im Zusammenhang mit Fahrspurabtrennungen nicht dargestellt werden“, räumt die Branddirektion ein. Neben der Feuerwehr haben bisher drei der vier im Stadtgebiet tätigen Rettungsdienste auf verlängerte Einsatzzeiten hingewiesen, da Autos und Laster vor allem wegen Radwegtrennern schlechter ausweichen können. Die ersten Separatoren für mehr Sicherheit der Radler hatte die Stadt Anfang 2020 in der Konrad-Adenauer-Straße nördlich der Konstablerwache installiert. „Die Feuerwehr akzeptiert sie, weil sie im Alarmfall für ein robustes Feuerwehrfahrzeug überfahrbar sind“, hatte der Fahrradclub ADFC seinerzeit gelobt. Allein: Die Berufsfeuerwehr sieht das ganz anders.
„Die Branddirektion war an dieser Maßnahme nicht beteiligt“, erklärt Sprecher Mohn. „Eine Stellungnahme wurde nicht abgegeben.“ Allerdings könnten Einsatzfahrzeuge in der Adenauer- und der Kurt-Schumacher-Straße die Kombispur in der Straßenmitte nutzen. Das sieht ein Berufsfeuerwehrmann anders, der von der Wache 4 in Sachsenhausen aus oft dort unterwegs ist. „Wenn da eine Straßenbahn oder ein Bus fährt, fahren wir da nicht entlang, damit wir nicht dahinter festhängen.“ Trams und Busse rollen hier im Minutentakt. Die Branddirektion räumt ein: Die „Nutzung von Schienen-/Buswegen“ sei „natürlich grundsätzlich nur bei freier Befahrbarkeit möglich“, das sei „also keine jederzeit uneingeschränkte Option“.
Die Feuerwehr werde „selbstverständlich“ eingebunden, bevor eine geschützte Fahrradspur eingerichtet werde, betont Ingmar Bolle, Vizechef des Straßenverkehrsamts. So sei die Branddirektion Teil der „Koordinierungsgruppe Verkehr“, die über „größere Vorhaben“ entscheide. Ohne Okay der Wehr geschehe nichts. „Im Alltagsgeschäft erhält die Branddirektion alle verkehrsrechtlichen Anordnungen von uns in Durchschrift, die mehr als nur geringe Auswirkungen auf das Verkehrsgeschehen haben“, erklärt Ingmar Bolle. Das betreffe etwa Sperrungen wegen Bauarbeiten. „Verkehrsführungsänderungen oder Radverkehrsmaßnahmen werden ebenfalls mit der Branddirektion vorabgestimmt“. Das Prozedere habe sich bewährt.
Anders als es der ADFC darstellt, sind offenbar auch die Trennelemente selbst ein Problem. Die Fahrzeugmeisterei der Feuerwehr habe eine „ausgiebige Erprobung und Bewertung der baulichen Trennelemente vorgenommen“, erklärt zwar der Straßenverkehrsamtsvize. Was verbaut werde, „berücksichtigt die Bedürfnisse der Branddirektion“. Auch würden für die Feuerwehr Lücken gelassen wie am Güterplatz.
Fahrzeuge beschädigt, Leitungen abgerissen
Die Tests der Feuerwehr aber zeigen: „Bei Überfahrversuchen aufgesetzter Elemente kam es zu Beschädigungen von Fahrzeugteilen und Abrissen von Leitungen an der Karosserie.“ Aus dem Rettungsdienst ist zu hören, dass keiner über die Trenner fährt. „Niemand will sich einen Reifen kaputtfahren“, erklärt Oliver Pitsch, Regionalvorstandsmitglied bei den Johannitern. Bleibe ein Rettungswagen deshalb liegen, helfe das auch dem Patienten nicht.
Zumal: „Für Patienten sind Erschütterungen durch das Überfahren von aufgesetzten Fahrbahnteilern äußerst unangenehm“, mahnt die Branddirektion. Die Sperren verhinderten aber vor allem, dass Autofahrer Platz machen. Nähere sich ein Einsatzwagen mit Blaulicht und Martinshorn und sie könnten nicht ausweichen, „bedeutet das Stress für Autofahrer“, warnt Dierk Dallwitz, Bezirksverbandsgeschäftsführer des Roten Kreuzes. Reagierten sie unachtsam, werde es „noch gefährlicher für Radfahrer und Fußgänger“.
Die Stadt wolle künftig nur noch überfahrbare Separatoren installieren, kündigt Mobilitätsdezernent Wolfgang Siefert (Grüne) an. Es gebe bei der Stadt „Lerneffekte“. Siefert hatte bereits angekündigt, dass die Stadt als Folge der Kritik der Retter Fahrradspuren künftig generell breiter gestaltet. Das fordert auch Ansgar Hegerfeld vom ADFC: „Radwege müssen so breit und frei von Falschparkern sein, dass auch Rettungsdienste diese problemlos nutzen können.“ Dennis Pfeiffer-Goldmann
KOMMENTAR
Von der autogerechten zur rein fahrradgerechten Stadt
VON DENNIS PFEIFFER-GOLDMANN
Mehr Schutz für die einen, weniger für die anderen: Radwegtrenner scheinen nicht die beste Lösung für die Neuordnung auf Frankfurts Straßen zu sein. Zumindest nicht so, wie die Separatoren bisher installiert werden. Dass Straßenverkehrsamt und Feuerwehr die Lage so unterschiedlich sehen, ist bedenklich. Ist die Branddirektion übervorsichtig? Oder agiert das Mobilitätsdezernat zu forsch? Für Letzteres spricht bereits das Vorgehen bei der fahrradfreundlichen Umgestaltung im Oeder Weg. Dort „gestalten“ Grüne, SPD, FDP und Volt gleich noch die Einzelhandelslandschaft um. Nun droht die nächste Übergriffigkeit, sollten Fahrradspuren generell überbreit werden, damit Rettungswagen durchpassen. Wird die autogerechte etwa direkt zur rein fahrradgerechten Stadt umgebaut? Besser nicht. Dieser Drahtesel-Aktivismus geht nicht nur am Bedarf vorbei, er ist ja auch noch für andere gefährlich. Die Verkehrspolitik sollte eiligst auf einen maßvollen Mittelweg umlenken.