Feuerwehrleute gehen auf die Barrikaden
Kreisfeuerwehrverband warnt davor, dass der Brandschutz kaputtgespart wird - und will protestiere
Frankfurt - Bei Feuerwehr und Katastrophenschutz raucht es, und zwar ordentlich: Die Vierer-Koalition im Römer plant angeblich einschneidende Finanzkürzungen fürs Brandschutzwesen und hat damit Berufs- und Freiwillige Wehren gegen sich aufgebracht.
Klartext soll an diesem Samstag bei der jährlichen Delegiertenversammlung des Kreisfeuerwehrverbands in Nieder-Erlenbach gesprochen werden: Der 1. Verbandsvorsitzende Dirk Rübesamen will ausführlich zu den vom Magistrat der Stadt geplanten Sparmaßnahmen Stellung beziehen. Man werde die Kürzungen definitiv so nicht hinnehmen, sagt Rübesamen: Eine derart einschneidende Kürzung der Finanzmittel für den hauptamtlichen wie auch den ehrenamtlichen Brandschutz in Frankfurt gefährde die Öffentlichkeit und damit die Menschen in Frankfurt, die auf die Einsatzbereitschaft der Feuerwehren vertrauten.
Es gehe um das Gleichgewicht des bewährten Modells, das auf Berufs- und Freiwillige Feuerwehren setze, so Rübesamen, der als Vereinsvorsitzender die Stadt in privatrechtlicher Funktion kritisiert. Der Kreisfeuerwehrverband ist ein eingetragener Verein und einer der einflussreichsten Kreisfeuerwehrverbände in Deutschland. Er versteht sich als gesellschaftspolitisches Sprachrohr aller seiner Abteilungen und Mitglieder in Frankfurt und auch "als Rückgrat der Berufsfeuerwehr" - zumal die hauptamtlichen Kollegen in der Artikulation ihres Protests etwas schaumgebremst sind: Karl-Heinz Frank, Leiter der Frankfurter Berufsfeuerwehr, ist städtischer Beamter.
"Der Brandschutz wird ganz klein geschrieben"
Im neuen Koalitionsvertrag, so Rübesamen, werde "Brandschutz ganz, ganz klein geschrieben". So gehe es etwa um das vor Jahren zwischen Magistrat und Feuerwehr festgelegte Prioritäten-Programm zum Bau neuer Stadtteil-Feuerwehrhäuser bis 2029, das in Frage gestellt werde, oder die Beschaffung neuer Einsatzfahrzeuge: "Wenn für die Berufsfeuerwehr keine Fahrzeuge bestellt werden, kriegen auch die Freiwilligen Wehren keine", sagt Rübesamen; die Bestellungen sind meist gekoppelt. Dabei könne er aus dem Stegreif 18 Frankfurter Feuerwehren aufzählen, deren Einsatzfahrzeuge älter seien als 30 Jahre - also Baujahr 1991 - und für die es keine Ersatzteile mehr gebe. Das habe Auswirkungen auf die Ausbildung der Ehrenamtlichen und auf die Arbeit der Jugendwehren, aus denen sich jedoch auch der Nachwuchs der Berufsfeuerwehr rekrutiere. Rund 200 000 Euro kostet eine solche Ausbildung; die Stadt hat zuletzt 30 Feuerwehrleute pro Jahr ausgebildet - und will sie jetzt nicht mehr übernehmen, obwohl in den nächsten Jahren viele altersbedingte Abgänge anstehen. Die in Frankfurt ausgebildeten Feuerwehrleute sollen sich auf dem freien Markt eine Anstellung suchen. Das wird wohl auch gelingen: Andere Städte suchen händeringend und locken junge ausgebildete Feuerwehrleute mit mietfreier Dienstwohnung und Jobticket.
In Frankfurt sieht es anders aus: "Ich bin als Vorsitzender des Kreisfeuerwehrverbands auch Arbeitgeber", sagt Rübesamen. Er beschäftige etwa in einer Geschäftsstelle Hauptamtliche, die die ehrenamtliche Arbeit der Ausbilder in den Jugendwehren koordinierten. Das Rechtsamt verlange nun von ihm, für alles Quittungen einzureichen, um etwas erstattet zu bekommen. Die Krux: "Ich kann das nicht vorstrecken", sagt Rübesamen.
Keine Rückendeckung aus dem Römer
"Denen im Römer brennt der Kittel", kommentiert ein Feuerwehrmann, der namentlich nicht genannt werden möchte, die Sparpläne: Die Mitglieder der Freiwilligen Feuerwehren bauten zu ihrer üblichen Feuerwehr-Arbeit ständig Corona-Testcenter oder Feldbetten in Sammelstellen bei Bomben-Entschärfungen auf und ab und engagierten sich zusätzlich in der Fluthilfe im Ahrtal, bekämen aber keine Rückendeckung von der Politik. Schon unter Oberbürgermeisterin Petra Roth (CDU) haben die Feuerwehren angesichts drohender Kürzungen auf dem Römerberg lautstark auf sich aufmerksam gemacht - das sei jetzt wieder eine Option, sagt Rübesamen: "Ich werde dazu als Vorsitzender des Kreisfeuerwehrverbands aufrufen, um unseren Leuten den Rücken zu stärken."
Brandschutzdezernentin Annette Rinn (FDP) versteht die Aufregung nicht. "Es wird nichts gekürzt; es bleibt bei den Geldern." Es sei nur nicht klar ersichtlich, "wo im Haushalt das jetzt jeweils steht". Deswegen lasse sie die einzelnen Haushaltsposten zur besseren Verständlichkeit aufarbeiten; die Ergebnisse würden aber erst heute vorliegen. Also ein Missverständnis? "Nein", sagt Rübesamen: "Wir möchten, dass sie hinter uns steht, und das Gefühl haben wir nicht." Holger Vonhof
KOMMENTAR
Mit der Einsatzkraft schwindet auch die Einsatzbereitschaft
VON HOLGER VONHOF. Feuerwehrleute sind Menschen mit großer Aufopferungsbereitschaft, viel Enthusiasmus und einer gehörigen Portion Zuversicht. Sie setzen nicht selten ihre eigene Gesundheit aufs Spiel, um andere zu retten. Doch sie wissen: Wenn ich mich in eine Gefahrensituation begebe, muss der Rückhalt stimmen. Der Rückhalt der Feuerwehrfrau und des Feuerwehrmannes, die hinter einem stehen, aber auch der Rückhalt derer, die dafür Sorge zu tragen haben, dass Ausbildung und Ausrüstung gewährleistet sind. Dieser Rückhalt scheint in Zeiten knapper Kassen in einigen Kommunen zu schwinden, etwa in Hamburg: "Sparpläne des Senats gefährden die innere Sicherheit", so bringt es der dortige Landesverband der Deutschen Feuerwehr-Gewerkschaft auf den Punkt. Jetzt gehen auch in Frankfurt die Rauchmelder an, und Feuerwehr-Führungspersonal warnt vor dem Verlust von Einsatzkraft. Was nicht zu vergessen ist: Mit der Einsatzkraft schwindet auch die Einsatzbereitschaft. Es wäre nicht das erste Mal in der Geschichte der Frankfurter Feuerwehr, dass sich gut ausgebildete Brandschützer in einem anderen Bundesland verdingen (müssen).