Neuer Feuerwehrchef Markus Röck rechnet mit schweren Entscheidungen
Frankfurt – Er übernimmt in schwierigen Zeiten: Markus Röck (44) ist seit kurzem der Leiter der Branddirektion und damit oberster Feuerwehrchef in Frankfurt. Über die akuten Probleme im Rettungsdienst, mit stark zunehmender Arbeitslast, Verkehrswende und Staus sowie neuen Bedrohungen bis hin zu Krieg spricht er im Interview mit Redakteur Dennis Pfeiffer-Goldmann.
" Die bürokratischen Regeln sind für die Geschwindigkeiten unserer immer stärker beschleunigten Welt nicht geschaffen.
„Die Feuerwehr ist erschöpft und ausgebrannt“, hatte ihr Vorgänger Karl-Heinz Frank vor anderthalb Jahren gewarnt. Wie ist die Lage heute, Herr Röck?
Die Feuerwehr und ihre Leute macht aus, dass sie eine hohe Leistung erbringen können, auch über einen längeren Zeitraum. Damals fehlte uns die Perspektive. Die Leitstelle war unterbesetzt, wir haben kurzfristig 40 Leute dorthin verschoben, was auch nicht nur zu Freude bei den Kolleginnen und Kollegen führte. Diese Köpfe fehlten auf den Feuer- und Rettungswachen, dort brauchten wir Personal. Die Politik hat Wort gehalten: Die Stellen sind da.
Aber der Rettungsdienst ist heute nicht stabiler.
Wir sind von einem Problem ins nächste gestolpert. Einige Leistungserbringer haben Probleme, Einsatzwagen zu besetzen.
Welche Folgen hat das?
Die Fahrzeuge kommen immer später am Einsatzort an. Wir haben aber als Stadt den Sicherstellungsauftrag, die Leistungserbringer fahren in unserem Auftrag. Deshalb versuchen wir das so gut wie möglich zu kompensieren und haben zusätzliche Rettungsmittel in Dienst genommen. Dafür müssen mehr Köpfe aus der Branddirektion auf die Rettungswagen verteilt werden, um die Schichten zu fahren.
Wie viel länger müssen Bürger auf Rettungswagen warten?
Die Vorgabe ist, dass er in 90 Prozent der Fälle in zehn Minuten da sein soll. Wir erreichen aber nur noch 85 Prozent. Wir haben mit dem verstärkten Einsatz von Personal der Branddirektion die abfallende Tendenz abgefedert und die Lage stabilisiert. Nun leistet die Feuerwehr aber mehr Schichten als Personal da ist. Die Stellen dafür haben wir nun bekommen und können in die Besetzung gehen. Dafür haben wir zum Beispiel unsere Ausbildungsquote für dieses Segment hochgeschraubt, von 50 auf 70 Auszubildende pro Jahr.
Wieso kriegen die Hilfsdienste die Rettungswagen nicht selbst besetzt?
Die Leistungsanbieter geben alle wirklich alles, aber sie kämpfen extrem am Fachkräftemarkt. Natürlich würde es den Anbietern helfen, wenn sie in Frankfurt mehr bezahlen könnten, wenn es bezahlbare Wohnungen oder Parkplätze für die Mitarbeiter gäbe.
Wie schwer wiegt die Wohnungsnot?
Sehr schwer. Diejenigen, die hier eintreten für die Menschen in der Stadt, können es sich oft selbst gar nicht leisten, in der Stadt zu leben. Das ist ein ethisches Dilemma.
Wie ließe sich das lösen?
In anderen Städten gibt es einen guten Zugriff fürs Personal von Feuerwehr und Rettungsdienst auf städtische Wohnungen. Auch wir denken derzeit darüber nach, ob wir mit unserer GmbH selbst etwas tun können. Beim Neubau der Feuer- und Rettungswache 2 im Gallus werden wir nun ein kleines Wohnheim mit 30 Zimmern bauen, in dem zum Beispiel Auszubildende, die keine Wohnung haben, ankommen und in erster Zeit leben können.
Warum ist es so wichtig, dass Feuerwehrleute in der Stadt wohnen?
Damit wir schnell auf Kolleginnen und Kollegen zurückgreifen können, wenn etwas passiert. Es geht um Bevölkerungsschutz. Es muss eine hohe Priorität haben, solche Mitarbeiter in der Stadt zu haben. Die Freiwilligen Feuerwehren haben ebenso Probleme, Mitglieder zu halten, weil Wohnungen fehlen. Wenn Menschen deswegen den Stadtteil oder die Stadt verlassen, sind sie auch fürs Ehrenamt weg.
Wie ist der Stand beim Personalwachstum der Feuerwehr?
Wir sind von 2023 auf 2024 auf 2025 ganz grob um 120 Stellen gewachsen, also acht Prozent. Das ist schon ganz ordentlich. Das ist auch eine große Initiative und Unterstützung aus dem Parlament zurückzuführen. Dort hat man die Probleme erkannt, wir sind dafür sehr dankbar. Nun ist der Ball wieder bei uns, wir müssen ausbilden und die Leute in die Funktionen bringen.
Haben Sie dafür genug Kapazität?
Die Fachabteilung ist nur für 30 Leute in der Grundausbildung designed, jetzt haben wir 70. Das tragen die Mitarbeiter unserer Akademie derzeit nur mit ihrem persönlichen Engagement. Wir haben nun aber auch Stellen für die Akademie bekommen.
Sind Sie damit genug gewachsen?
Wir haben turnusmäßig das Aufgabenfeld Brandschutz untersuchen lassen, mit dem Ergebnis, dass wir nochmal anwachsen müssen, um die Hilfsfristen zu halten. Es muss noch ein Löschfahrzeug mehr in die Innenstadt kommen, es wird auch von einer zusätzlichen Feuerwache gesprochen. Die könnte im Bereich östliche Innenstadt/Konstablerwache liegen. Und wir möchten die Wache aus der Franziusstraße an den Ratswegkreisel verlagern, dann könnten wir Einsätze Richtung Fechenheim besser abdecken. Wir müssen auch das Personal stärker auf verschiedene Aufgaben ausbilden, um resilienter zu sein.
" Wir müssen mit den ganzen Problemen von Verkehrswende bis Bevölkerungsschutz gleichzeitig umgehen können. Nichts davon kann liegen bleiben.
Wie viele Patienten sind schon in Rettungswagen gestorben, die wegen der Verkehrswende im Stau stehen?
Da ist mir kein Fall bekannt. Die Verkehrswende hat aber einen Einfluss. Dies zusammen mit den vielen weiteren Infrastrukturprojekten und Baustellen stressen unsere Organisation enorm. Wir müssen uns extrem schnell anpassen und Informationen teilen.
Das kostet doch viel Personal, oder?
Wir werden durch all diese vielen neuen Dinge unheimlich gefordert in unseren Zentralen Diensten bei Planung, Koordination und Vergabe. Die bürokratischen Regeln sind für die Geschwindigkeiten unserer immer stärker beschleunigten Welt nicht geschaffen. Das erfordert sehr kreative Fähigkeiten. Es ist ein enormer Kraftakt, alle Player auf diese Geschwindigkeiten einzustellen.
Sie haben bei Ihrer Berufung gesagt, dass unangenehme Entscheidungen anstünden. Welche?
Wir müssen uns als Gesellschaft entscheiden, ob wir uns vorbereiten, auch für ein Szenario Krieg.
Krieg? Muss die Stadt nun wieder Bunker bauen?
Experten gehen eher von hybriden Szenarien aus, dass zum Beispiel für ein paar Tage die Stromversorgung gestört wäre, Infrastrukturen nicht funktionieren, Desinformation, dass in der Mobilität etwas nicht funktioniert, dass versucht wird, Panik zu erzeugen. Darauf muss man sich vorbereiten. Dazu gehört sicher auch ein Schutzraumkonzept, so wie jetzt in der Ukraine. Bunkeranlagen sehe ich aber eher nicht.
Sondern? Welche Vorsorge ist nötig?
Für den Bevölkerungsschutz ist die elementare Säule der Selbstschutz der Menschen. In solchen Szenarien kann keiner erwarten, dass, wenn zu Hause etwas nicht funktioniert, irgendjemand vom Katastrophenschutz kommt zum Unterstützen. Das ist ein Auftrag an jeden Bürger in diesem Land, für sich selbst und seinen engeren Kreis Vorkehrungen zu treffen.
Wie schnell ist diese Vorbereitung nötig?
Wenn wir sagen, bis 2030 wäre ein solcher Konflikt mit Russland möglich, müssen wir rückwärts überlegen: Auf Basis der Ressourcen, die wir haben, und der Zeitachse das Wichtigste zu tun. Vier, fünf Jahre sind zum Aufbau von Fähigkeiten für den Bevölkerungsschutz nicht viel.
So viele Probleme: Warum arbeiten Sie gerne bei der Feuerwehr?
Es gibt heutzutage viele Gruppen und Menschen, die gegen etwas sind. Wir sind eine Organisation, die für etwas ist. Sich im Team für die Menschen, für die Gesellschaft einzusetzen: Das kann im Einsatzfall etwas unheimlich Energiereiches sein, womit man sich maximal identifiziert.
Zieht das ausreichend?
Wir haben genug Bewerber. Die Frustration im Beruf kommt, wenn die Kollegen eine Wirksamkeitskrise haben. Im Rettungsdienst fahren die Kollegen zur Hälfte an Einsatzstellen, wo sie mit ihrer Qualifikation und ihrer Zeit völlig falsch sind und nur ein Pflaster kleben. Diesen Missbrauch verursacht unser dysfunktionales Gesundheitssystem.
Was wollen Sie weiterführen von Karl-Heinz Frank?
Seinen strategischen Ansatz, die Dinge auf einer langen Zeitachse zu denken. Mein Planungshorizont ist nicht 2026 oder 2027, sondern 2040.
Wie wird Markus Röck die Feuerwehr weiterentwickeln?
Wir müssen die Organisation so aufstellen, dass sie sich um ganz viele Probleme gleichzeitig in ganz vielen Teams kümmern kann. Wir müssen mit den ganzen Problemen von Verkehrswende bis Bevölkerungsschutz gleichzeitig umgehen können. Nichts davon kann liegen bleiben.
Zur Person
Markus Röck (44) ist seit 7. März Leiter der Branddirektion, mit 1200 Mitarbeitern eines der größten städtischen Ämter. Er kam 2011 von der Ausbildung bei der Münchener Feuerwehr nach Frankfurt, war zuletzt Stellvertreter von Branddirektor Karl-Heinz Frank. Röck stammt aus der Nähe von Ludwigsburg und hatte die Feuerwehr schon immer als Hobby. Sie wurde aber erst später zum Beruf: Er lernte erst Energieanlagen-Elektroniker, machte das Abi auf dem zweiten Bildungsweg und studierte Umweltschutztechnik in Stuttgart sowie ein halbes Jahr in den USA. Er wohnt mit seiner Familie in Obertshausen und schafft es nur noch selten, per Fahrrad von Zuhause ins Büro am Marbachweg zu fahren. Stattdessen hält er sich mit Kraftsport fit. Röck hat mit seiner Frau – sie arbeitet als Hebamme im Bürgerhospital – zwei Söhne (11, 15) und eine Tochter (13).
DPG