Kreisfeuerwehrverband
Frankfurt am Main 1869 e.V.

„Unser Ziel heißt Innovation!“

Brände löschen und dolmetschen

Seit mehr als 20 Jahren ist Serhat Karadag freiwillig im Einsatz - Seine Sprachkenntnisse sind oft wertvoll

Serhat Karadag engagiert sich bei der Freiwilligen Feuerwehr Fechenheim. FOTO: christoph BoeckhelerFrankfurtImmer wieder kommt es vor, dass Serhat Karadag bei seinen Einsätzen mit der Freiwilligen Feuerwehr Fechenheim dolmetschen muss. Etwa in dem Hochhaus, in dem irgendwo Rauch gesichtet wurde. Als der Brandschützer mit seinen Kameraden an Ort und Stelle war, war unklar, wo genau der Qualm gesehen worden war. Im Treppenhaus hörte er, wie sich ein Paar auf Türkisch unterhielt. Karadag verstand: Sie hatten die Meldung an die Leitstelle abgesetzt, hatten nun aber Angst vor negativen Folgen. Dass sie etwa die Kosten für den Einsatz übernehmen müssten, und die Uniformierten waren ihnen ohnehin nicht geheuer.

Karadag unterhielt sich mit ihnen in ihrer Muttersprache, gewann so ihr Vertrauen - und die Information, wo der Rauch hergekommen war: aus dem Aufzugsschacht. So habe die Ursache viel schneller behoben werden können, als wenn sie selbst danach hätten suchen müssen, berichtet Karadag im Büro der Fechenheimer Feuerwehr.

Vorbehalte gegenüber Uniformierten

„Die Menschen kommen oft aus Ländern, in denen die Feuerwehr militärisch bestückt ist“, sagt er. Das sei wohl ein Grund der Zurückhaltung gegenüber allem, was Uniform trage. Für die Feuerwehr ist das ein Hindernis, wenn sie neue Mitglieder aus migrantischen Gemeinschaften gewinnen will. Aber es ist nicht nur das. Was Karadag umtreibt und worüber er sich aufregt: „Rechte Populisten bauen derzeit massive Barrieren.“ Sie befeuerten den Hass gegenüber Menschen mit Migrationshintergrund, von denen sich etliche sorgten, ob sie in zehn Jahren noch hier in Deutschland leben dürften. Das mache ein gesellschaftliches Engagement für die Menschen schwieriger. Woher solle der Wille kommen, der Bevölkerung zu helfen? Und das auch noch freiwillig? „Ich kann diese Einstellung nachvollziehen“, meint der Ehrenamtler.

Er selbst erlebt Anfeindungen, auch bei Einsätzen. Einmal habe jemand hinter seinem Rücken gesagt, „jetzt sind die auch schon bei der Feuerwehr“. Das sei unbegründeter Hass, der einem auf diese Weise entgegenschlage. „Nicht einfach zu ertragen.“

Doch in der Feuerwehr Fechenheim sei das ganz anders. Wer dort arbeiten wolle, „sollte keine extremistischen Einstellungen vertreten und auf dem Boden der freiheitlich-demokratischen Grundordnung stehen“. Und so sei es auch. „Hier scheint alles abgekapselt von der Außenwelt, das ist eine Wohltat. Hier wird jeder gleich ernst genommen.“ Tatsächlich habe er etliche Kollegen, die wie er einen Migrationshintergrund hätten, sagt er. Sie stammten etwa aus Albanien, Marokko, Ägypten und Portugal.

Als Karadag bei der Freiwilligen Feuerwehr Fechenheim anfing, war er zehn. Ein Jahr zuvor war seine Familie aus der Türkei nach Frankfurt gekommen. Sein Vater wollte, dass der Sohn „in der Mitte der Gesellschaft ankommt“. Die Feuerwehr, das sei doch eine gesunde Mischung zwischen Fußballverein und gesellschaftlicher Gemeinschaft, habe der Vater damals argumentiert. 

Los ging es für den Sohn in der Jugendfeuerwehr. Er kann sich noch erinnern, wie das damals war, als er zum ersten Mal in den Raum in der alten Wache kam, in dem die Jugendlichen saßen. „Ich schaute in viele verdutzte Gesichter.“ Damals sei ein Junge mit Migrationshintergrund bei der Feuerwehr noch ungewohnt gewesen. „Das waren halt deutsche Kids.“ Doch so verdutzt die Jugendlichen schauten - „trotzdem war es auch irgendwie einladend“, sagt Karadag. Deshalb blieb er. 

In der Mitte der Gesellschaft

Mittlerweile ist der 33-Jährige im Feuerwehrverein im Vorstand, wo er als Vertrauensmann „die Interessen der Kameradinnen und Kameraden vertritt“. Im Einsatz ist er Fahrzeug- und damit Gruppenführer des Löschfahrzeugs. Als solcher leite er notwendige Maßnahmen ein, etwa die Erkundung des Einsatzorts, erklärt der Feuerwehrmann.

Er sieht noch einen weiteren Grund, der es Menschen jeglicher Herkunft erschwere, sich ehrenamtlich zu engagieren. „Feuerwehr ist ein teures Hobby. Das soziale Umfeld muss so beschaffen sein, dass man es sich leisten kann.“ Sprich, eine bezahlbare Wohnung und ein Brotjob müssen her. Karadag selbst hat einen hauptamtlichen Beruf, der inhaltlich eng mit seinem Ehrenamt verbunden ist: Er ist angestellt bei der Werksfeuerwehr von Alessa-Chemie in Fechenheim. 

Die Politik, auch die in der Stadt Frankfurt, sollte mehr für die Freiwillige Feuerwehr tun, fordert Karadag. Und er findet, dass es dort mehr Menschen mit Migrationshintergrund geben sollte, auch wenn sich ihre Zahl seiner Wahrnehmung nach in den vergangenen Jahren erhöht habe. „Die Gesellschaft verändert sich in diese Richtung.“ Doch bräuchten sie mehr Anerkennung, so könne die Politik zeigen, dass sie das Thema ernst nehme.

Wie wäre es etwa mit einem von der Stadt bezahlten Parkplatz vor dem Haus, der für Einsatzkräfte reserviert ist? Dann könnten diese viel schneller auf der Wache und somit beim Einsatzort sein, sagt er. Es brauche „wirklich ernst gemeinte Programme und finanzielle Unterstützung“ direkt an Ort und Stelle. „Wir suchen händeringend nach Mitgliedern.“

Dann wird Karadag zum Einsatz gerufen. Ein Feuer in einer Wohnung wurde gemeldet. Hinunter in den Umkleideraum, rein in Jacke, Hose, Stiefel, den Helm auf und rauf auf das Löschfahrzeug. Kurz darauf rauscht es mit Blaulicht und Martinshorn vom Hof. Wieder gilt es, einen Dienst für die Gesellschaft zu tun.

Petra Zeichner


Feuerwehr in Zahlen

Insgesamt gibt es in Hessen 2430 Freiwillige Feuerwehren und sieben Berufsfeuerwehren. Dazu kommen 62 Werks- und Betriebsfeuerwehren. Im Kinder- und Jugendbereich sind es 1131 Kinder- und 1961 Jugendfeuerwehren. Die Mitgliederzahlen belaufen sich auf knapp 70 000 bei den Freiwilligen Feuerwehren. Zahlen zu den Berufsfeuerwehren gibt es vom Landesfeuerwehrverband nicht. 

Nicht erhoben wird außerdem, wie viele Menschen mit Migrationshintergrund es in den Feuerwehren gibt. Der Präsident des Landesfeuerwehrverbands Hessen, Norbert Fischer, begründet das damit, dass jeder Mensch, egal welcher Herkunft, gerne gesehen sei. pz